Norbert Paulini ist ein hoch geachteter Dresdner Antiquar, bei dem Bücherliebhaber Schätze und Gleichgesinnte finden. Auch in den neuen Zeiten nach der Wende, als die Kunden ausbleiben, versucht er, seine Position zu behaupten. Doch plötzlich steht ein aufbrausender, unversöhnlicher Paulini vor uns, der beschuldigt wird, an fremdenfeindlichen Ausschreitungen beteiligt zu sein. Ist dieser passionierte Leser, der Büchermensch, wirklich zum Täter geworden? Die dreiteilige Struktur des Romans, der aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird, trägt zu dieser faszinierenden, zum Nachdenken anregenden Geschichte bei.
Genießen Sie Schulzes reizvolle Beschreibung seines Protagonisten:
Es lag nahe, Norbert Paulini für einen älteren Mann zu halten. Wer sich aber nicht an seinem vorsintflutlichen Brillenmodell störte oder an jener unfreiwilligen Tonsur, die auf seinem Hinterkopf leuchtete, eingehegt von dunklem lockigen Haar, wer seine breiten Schultern und starken Arme nicht der unter dem graublauen Kittel getragenen Strickjacke zuschrieb, wer weder Anstoß nahm an den Bügelfalten der Hosenbeine noch an dem schweren, orthopädisch anmutenden Schuhwerk, in dem er tagtäglich die Räume durchquerte, wer sich auch nicht von seiner dem Schriftlichen verpflichteten und von sächsischen Dialekt eingefärbten Sprechweise in die Irre führen ließ, sondern Norbert Paulini so wie ich damals ins Gesicht sah, erblickte inmitten der Kostümierung einen jungen Mann, von dem sich niemand vorstellen konnte, dass er jemals anders gewesen war noch jemals anders werden würde.