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Das geheime Leben der Bäume

Peter Wohlleben

Genre
Sachbuch

Verlag
Ludwig

Erschienen
2015

Zielgruppe
Erwachsene

Titel der Übersetzung
Het verborgen leven van bomen

 

27|05|21

Sieh mal da, wieder eine einsame Eiche!

Peter Wohllebens Buch über die Bäume hat nicht nur meine Ansicht über Bäume verändert, sondern über die ganze Welt. Die Liebe, die dieser ehemalige Förster für Bäume empfindet, ist gigantisch. Bis ins letzte Detail behandelt er alles am Baum, absolut alles: die Wurzeln, die Rinde, die Äste, die Baumkrone, die Zweige, die Bakterien und die Blätter. Gleich auf den ersten Seiten des Buches (aus waldschonender Papierherstellung gewonnen) berichtet er von einer erstaunlichen Entdeckung, die er gemacht hat: Die eines felsenartigen Holzstücks, das seit Jahren schon von umliegenden Bäumen am Leben erhalten wird. Die Tatsache, dass Bäume einander über ein unterirdisches Netzwerk helfen, ist grandios und lehrreich. Nach Wohllebens Verständnis sind Bäume Menschen und der Wald steht für die Gesellschaft.

Autoren, die es verstehen, einen mit ihrer Erzählung zu fesseln oder, egal über welches Thema es geht, mit ihrer Geschichte mitzureißen, sind Künstler. Die Kunst des Erzählens ist schon eine schöne Sache, aber für mich ist der Schriftsteller, der mich in seine Erzählung richtig hineinzuziehen vermag, ein wahrhaft großer Künstler.

Bäume sind füreinander da, unterstützen einander vollends, selbst über größere Entfernungen. Bäume verteidigen einander und wirken wie soziale Wesen, deren Motivation der Fortbestand der Art wäre. Welch schöner Gedanke! Und in schrillem Kontrast zu unserer westlich-selbstsüchtigen Kultur, die gerade kräftig von jenem Virus aufgerüttelt wird.

Im Grunde genommen sind die von Wohlleben zitierten Fakten nicht revolutionär neu;  sie sind im Gegenteil uralt und folglich ganz gewöhnlich. Und bei diesem Gedanken habe ich häufiger innegehalten als bei den Fakten an sich. Wie konnten wir uns so weit von der Natur entfernen und kostet es wirklich so viel mehr Mühe, um naturfreundlicher, um etwas näher an der Natur zu leben? Ich sündige auch und stelle fest, wie schwer es ist, sich mal kurz aus dem Alltagswahn auszuklinken und sich die Zeit zu nehmen, um Bäume zu betrachten. „Schau mal, wie der Ast da hängt; wieso sitzt der Specht jetzt ausgerechnet auf diesem Baum und nicht auf dem anderen? Sieh mal da, wieder eine einsame Eiche!“ Aber das tue ich jetzt: Bäume angucken, beobachten, erfühlen, genauso wie ich es im Kurs Zeichnen nach Wahrnehmung an der Sint Lucas Hochschule gelernt habe.

Lesetipp von
Tom Schoonooghe
Illustrator, Zeichner