lesen | Lesetipp

Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders

Patrick Süskind

Genre
Roman

Verlag
Diogenes

erschienen
1994

Zielgruppe
Erwachsene

Titel der Übersetzung
Het parfum. De geschiedenis van een moordenaar

26|10|23

Der Preis der Intoleranz?

‘Seit über zwanzig Jahren, als ich dieses Buch zum ersten Mal gelesen habe, lässt es mich nicht mehr los. Das liegt vor allem daran, dass ich bisher nicht dahintergekommen bin, was der Autor mit diesem Roman wollte. Wofür ist er einen Metapher? Denn hier wird ja nicht einfach irgendeine Geschichte erzählt.  

Da wäre zunächst die erste Ebene: Jean-Baptiste Grenouille, die Hauptfigur, wurde Mitte des 18. Jahrhunderts geboren. Da er keinen eigenen Körpergeruch hat, wird er verstoßen und von niemandem bemerkt. Aber gerade dadurch kann er heimlich agieren und sich – dank seines außergewöhnlichen Geruchsinns – an der Menschheit rächen.  

Einen Teil seines Lebens verbringt Grenouille in der französischen Parfumstadt Grasse, wohin es mich selbst eines Tages auf einer Reise durch Südfrankreich verschlug. Später erzählte ich Freunden von diesem faszinierenden Ort, die mir wiederum diesen Bestseller empfahlen. Was mich gleich fasziniert hat, war die Schaurigkeit des Buchs, aber auch der originelle Plot und die wirklich außergewöhnliche Beobachtungsgabe des Autors. Ähnlich wie Murakami weiß auch er genau, wie die Menschen ticken, und schreibt darüber sehr mitreißend: Scheinheiligkeit, Ehrgeiz – natürlich waren mir diese Untugenden schon länger bekannt, aber in diesem Buch werden sie sehr interessant verhandelt.

Ich verrate vermutlich nicht zu viel, wenn ich sage, dass Grenouille zum Serienmörder wird – das Buch wurde ja auch verfilmt. Das Eigenartige dabei ist, dass man, noch bevor man die Hälfte gelesen hat, so viel Mitleid, fast so etwas wie Sympathie für ihn empfindet und nicht den Kriminellen mit den abartigen Phantasien anfängst zu hassen, sondern dessen Umgebung, die ihn zuerst negiert und später jagt. Daher auch meine Vermutung, dass Süskind einen tieferliegenden Zweck verfolgte. Ging es ihm um die Menschheit als misslungene Spezies? Den Preis der Intoleranz? Süskind hat kaum Interviews gegeben, ich weiß es also immer noch nicht. Wie dem auch sei, ich kann dieses zeitlose Buch so oft lesen, bis ich vielleicht irgendwann eine zündende Idee habe.‘

Aufgezeichnet von Katrien Steyaert für dasKULTURforum Antwerpen.
Übersetzt von Isabel Hessel.

Lesetipp von
Ronny Mosuse
Musiker