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Kritik der zynischen Vernunft

Peter Sloterdijk

Genre
Essay

Verlag
edition Suhrkamp

erschienen
2022 (1983)

Zielgruppe
Erwachsene

 

23|11|23

Aufbrechen

‚Ein gutes Buch geht nicht nur über die reine Selbstbestätigung hinaus, sondern führt auch zu neuen Gedanken. Um genau dieses Aufbrechen von starren Denkmustern geht es im Werk des deutschen Kulturphilosophen Peter Sloterdijk. Ich habe das Buch vor langer Zeit meinem Bruder geschenkt, der in Australien lebt. Auf dem Flug dorthin konnte ich es nicht weglegen, weil es mich wirklich faszinierte – inhaltlich, aber auch von den Bildern her.

Das dicke zweiteilige Buch lässt sich nicht leicht zusammenfassen, aber wenn ich eine Sache aufgreifen darf, dann den Unterschied zwischen Zynismus und Kynismus. Ersteres meint eine Haltung, bei der man sich dessen bewusst ist, dass vieles nicht in Ordnung ist, man es aber weiterhin tut, aus Eigennutz oder Voreingenommenheit. Demgegenüber stellt Sloterdijk den Kynismus, bei dem man sich entgegen der geltenden Regeln und Annahmen für Einsicht und Umkehr entscheidet. Anno 2023 scheint es mir wichtiger denn je, Urteile und vermeintliche Bedeutsamkeiten abzulegen.

Das geschieht in erster Linie durch gegenseitiges Zuhören. Oder indem man scheinbar kindlich-naive Fragen stellt. Ein Kind mag vielleicht naiv sein, kann aber die entscheidenden Dinge berühren. Als Erwachsene haben wir gelernt, die Dinge hinzunehmen, nach dem Motto „So ist es nun mal.” Sloterdijk plädiert jedoch dafür, uns öfter ‚kindlich‘ zu fragen: „Aber warum ist es so?” und demzufolge auch: „Geht es nicht auch anders?“ Bei meiner eigenen Lebenseinstellung geht es auch ums Aufbrechen. Die Idee, angeblich irgendwann, irgendwo angekommen zu sein, finde ich uninteressant. Warum sollte ich immer Wege beschreiten, die ich schon kenne? Nein, ich mache mir keine Sorgen, dass sich diese Einstellung jemals ändern könnte. Ich lebe ja nun schon eine ganze Weile, und sie gilt für mich noch immer. Und falls es doch soweit käme, wird Sloterdijks Schlüsselwerk mich sofort wieder daran erinnern.‘

Aufgezeichnet von Katrien Steyaert für dasKULTURforum Antwerpen.
Übersetzt von Isabel Hessel.

Lesetipp von
Joke van Leeuwen
Schriftstellerin und Illustratorin