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Dirk Benesch

Beruf Shopmanager in Modeboutique Louis

geboren in Bonndorf

wohnt seit 2001 in Antwerpen

Dirk Benesch ist Shopmanager in der internationalen Modeboutique Louis in der Lombardenstraat. Geboren in Bonndorf im südlichen Schwarzwald, kam er nach einigen Umwegen in unsere Modestadt. Dabei leitete ihn jedoch nicht so sehr seine Modeleidenschaft, sondern eher der Zufall. Die Anschläge vom 11 September 2001 zwangen ihn, seine Umzugspläne einmal zu überarbeiten…

Interview Tom Calmeyn – Übersetzung Rebecca Johr – 01|05|2016

Warum bist du nach Antwerpen gekommen?
Während meines Sabbatjahres, das ich in New York verbrachte, bekam ich ein Jobangebot in San Francisco. Leider durchkreuzten die Anschläge des 11. Septembers meine Pläne, da sie zur Folge hatten, dass alle ausländischen Visa eingezogen wurden. Ich hatte jedoch schon mein ganzes Hab und Gut verkauft und besaß nur noch einen Container mit Möbeln und Kleidern, startklar um nach San Franzisco zu ziehen. Ich habe dann meine Sachen nach Antwerpen gebracht, wo ich ein paar Tage bei einer Freundin untergekommen bin. Eine Woche später hatte ich einen Job und eine Wohnung.  Ich fand Antwerpen eine tolle Stadt und habe die Entscheidung zu bleiben sehr schnell getroffen.

Was waren deine ersten Eindrücke als du nach Belgien kamst?
Während meiner vorherigen Kurzbesuche fand ich Antwerpen schon nett, aber ich kannte nur das Zentrum und die Geschäfte dort. Als ich dann umzog, bekam ich doch einen kleinen Kulturschock. In manche Vierteln war es damals echt noch gefährlich. Positiv fiel mir aber unter anderem der Middelheimpark auf.

Konntest du schon Niederländisch als du nach Belgien kamst?
Nein, ich habe bei null angefangen.

Leider durchkreuzten die Anschläge des 11. Septembers meine Pläne, da sie zur Folge hatten, dass alle ausländischen Visa eingezogen wurden. Ich hatte schon mein ganzes Hab und Gut verkauft und besaß nur noch einen Container mit Möbeln und Kleidern.

Und wie hast du die Sprache dann gelernt?
Für meine Arbeit war Niederländisch natürlich Voraussetzung, deshalb habe ich mich sofort bei einer Sprachschule in der Sudermannstraat angemeldet. Aber eigentlich bin ich da nur zwei Mal gewesen, da neunzig Prozent meiner Mitschüler weder lesen noch schreiben konnten. Die Lehrerin hat mir dann einfach das Buch mitgegeben und mir geraten, zu Hause zu lernen. Die Prüfung habe ich gut bestanden. Außerdem habe ich viel Fernsehen geguckt: Ich habe alle Folgen von De Kampioenen gesehen und immer die Nachrichten. Auch das Lesen der niederländischen Untertitel bei Spielfilmen hat geholfen.

Was sind deiner Meinung nach die größten Unterscheide zwischen Deutschland und Belgien?
Ich finde die Menschen hier in Antwerpen viel offener. Das bedeutet nicht unbedingt, das sie hier freundlicher sind als in Deutschland, aber in Belgien ist es einfacher, mit jemandem ins Gespräch zu kommen und Freundschaft zu schließen. Was mir direkt auffiel ist, dass die Leute hier viel Essen gehen.

Gibt es bestimmte Sachen, die du noch vermisst an Deutschland?
Wenn ich nach Deutschland fahre, komme ich immer mit vielen schwäbischen Spezialitäten wie zum Beispiel Maultaschen und Schupfnudeln zurück.

Gibt es auch belgische Spezialitäten, die du vermisst wenn du in Deutschland bist?
Ja, Muscheln! Die gibt es zwar auch in Deutschland, aber nicht als echtes Gericht. Das habe ich in Belgien erst gelernt. Und preparé (eine Art gewürztes Mett)!

Hast oder hattest du viel Kontakt zu anderen Deutschen in Antwerpen?
Ja, vor allem am Anfang. Es gab viele deutsche Studenten auf der Modeakademie. Inzwischen wohnen die nicht mehr in Belgien. Damals  machte ich auch viel mit Bernhard Willhelm (einem bekannten Designer).
Sonst habe ich den Kontakt zu Deutschen eher nicht gesucht, ich wollte ja Niederländisch lernen. Witzig eigentlich, dass ich damals beeindruckt war vom Niederländisch meiner deutschen Kommilitonen. Jetzt, im Nachhinnein, wo ich schon länger in Antwerpen wohne als sie damals, ist das nicht mehr so (lacht).

Du bist ein echter Modemann: Was bedeutet Antwerpen für dich aus Sicht der internationalen Modeindustrie?
Antwerpen finde ich vor allem eine sehr freie Stadt. Es gibt viel Mainstream, aber gleichzeitig auch Underground. Hier ist alles sehr klein und dadurch sehr konzentriert aber auch fußläufig: ein Mekka für Shopper und Einkäufer. Hier bei Louis kommen auch ganz viele Tourist*innen vorbei, dank der internationalen Anziehungskraft der Stadt. Das ist natürlich sehr interessant für ein Modegeschäft.

Außerdem habe ich viel Fernsehen geguckt: Ich habe alle Folgen von De Kampioenen gesehen und immer die Nachrichten. Auch das Lesen der niederländischen Untertitel bei Spielfilmen hat geholfen.

Wo hältst du dich gern auf in Antwerpen?
Mein Freund und ich gehen gerne und oft essen im Restaurant an der Bourlaschouwburg und in Het Pomphuis in der Nähe von ‘t Eilandje. Und sonst? Ach wir machen uns auch gerne einen ruhigen Abend zu Hause.

Fährst du noch oft in die Heimat?
Ja, aber drei nach drei Tagen Ruhe im Schwarzwald habe ich dann auch genug. Dann muss ich wieder weg.

Was sind deine Lieblingsstädte in Deutschland?
Ich bin gerade noch in Berlin gewesen, aber da würde ich nicht wohnen wollen. Das ist mir viel zu groß. Wenn man sich mit Freunden treffen möchte, sitzt man erst mal eine halbe Stunde im Taxi. Dadurch wurde mir klar wie angenehm Antwerpen ist, wo alles nur einen Katzensprung entfernt ist. Mit dem Fahrrad ist man in zehn Minuten überall.
Dann würde ich eher Köln sagen, eine Stadt die eigentlich auf vielen Ebenen vergleichbar mit Antwerpen ist: Eine kleine Innenstadt, viele coole Bars und nette Restaurants. Hamburg ist architektonisch gesehen wunderschön, aber man hat natürlich oft schlechtes Wetter.

Letzte Frage… Willst du irgendwann noch zurück nach Deutschland?
Nein! Ich bin hier inzwischen richtig angekommen. Ich habe sogar daran gedacht die belgische Staatsangehörigkeit anzunehmen, aber irgendwie habe ich das dann doch nicht gemacht. Ich weiß nicht so genau warum. Aber dann müsste ich ja auch hier wählen und mit den verschiedenen politischen Parteien in Flandern kenne ich mich immer noch nicht so richtig aus!